rahmen_los
vom 26.09. 2019 bis
zum 27.10. 2019


rahmenl_los

nicht zügellos aber schwer zu fassen oder einfach noch nicht fertig _ wo endet das motiv wo beginnt die wand ist die wand motiv oder träger _ wuchern die konzepte ins endlose oder überschreiten sie imaginäre grenzen _ wie wirkt das werk ohne den auschnitt festzulegen _ was wird aus dem konzept wenn das umfeld nicht fixiert ist oder fixiert man das konzept nicht um den klassischen rahmen zu verlassen ? wenn rückseiten von bilder wertvoller werden als die vermeintliche vorderseite _ konzepte unwichtiger sind als künstlerisches ausleben _ umdrehen _ ausrahmen _ plakatieren oder doch nur unbedingt anders präsentieren

 

teilnehmende künstler*innen: 

christian schildmacher, daniel wrede,
gerald chors, janina santamarina,
janine gerber, karin hilbers, katrin stender,
kirk sora, moritz schuchmann,
patrick becker, sebastian weissgerber,
swen kählert, THE DISO, zeichenkind

vernissage: 26.09.2019 ab 20:00 uhr
laufzeit:  bis 27.10.2019
öffnungszeiten:  samstag bis dienstag 18:00 bis 21:00 uhr (und nach vereinbarung)
finissage:      27.10.2019, 11:00 – 16:00 uhr mit brunch
   

Insgesamt 13 Künstler*innen wurden zum ausgeschriebenen Thema rahmen_los ausgewählt. In der kuratierten thematischen Gruppenausstellung beschränken wir uns wie immer nicht nur auf Malerei oder Plastik, sondern bewegen uns quer durch die Disziplinen und auch gern bei Arbeiten, die sich selbst zwischen den Formaten bewegen und Grenzen ausloten.

Mehr einleitende Rahmung, wie sonst in unserer Pressearbeit üblich, werden wir diesmal nicht bieten, sondern lassen die Künstler selber sprechen:

THE DISO allerdings ist gleich die erste Ausnahme, da wir uns etwas wunderten, das unter den Einreichungen nicht ein Sprayer war. Ergo haben wir, Kontakte aus der Vergangenheit der Galerie gab es genug, selbst herumgefragt und die Ausstellung um eine 14. Position erweitert. Schlüssel und Lageplan der Wände wurden weitergereicht, und mehr als einen im Austausch erhaltenen Künstlernamen gibt es zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen auch noch gar nicht zu erzählen.

Überlappungen lassen sich bei Christian Schildmachers Arbeiten nicht nur thematisch, sondern auch im wörtlichen Sinne finden. Seine Malerei verzichtet gänzlich auf den Keilrahmen, und wird auch mal gefaltet oder über ein Geländer gelegt. „Ich weiß noch nicht was ich erzählen möchte und finde es erst nach und nach heraus. Pigment löst sich auf, hier und da. Pinsel wird bewegt, hin und her. Ein Anfang ohne Grund. Staub setzt sich auf den Stoff nieder. Das Chaos ist schön, da ist was am werden. Dinge entstehen, mein eigenes Alphabet.“

„Gelenkter Kontrollverlust“, so nennt Patrick Becker seine Arbeiten: „Die Werke und ihre auf Video festgehaltene Entstehung sind eine Übung im Loslassen. Gedacht als Ausgleich zur eigenen, konzeptionellen Malerei und als Befreiung von strukturierten Techniken. Zur Auflösung selbstgesetzter Rahmen und formaler Grenzen des Geistes – und zur Lockerung des Handgelenkes. Durch den chaotischen Farbfluss des Industrielackes entstehen unbewusste Formen gleichberechtigt innerhalb und außerhalb der sich entwickelnden Motive.“

Vom sich entwickelnden Motiven und dem Loslassen ist es nur ein Schritt, oder vielmehr ein Stolpern zu Sebastian Weissgerber. Er stellt uns einen Photoautomat in die Galerie: „Dieser Photoautomat möchte nicht mehr wie seine Kollegen in den Partyzonen Berlins zur Dokumentation hedonistischer Eskapaden herhalten. Er schlägt zurück und erinnert seine Benutzer schmerzhaft an das Elend ihrer biologischen Unterworfenheit.“

Gerald Chors erinnert uns an das Hamburg der frühen 90er und wie der Stadt ein Lächeln geschenkt wurde. Die damals an einem Tag mit einer Kleinbild-Spiegelreflexkamera aufgenommenen Fotos von Smileys im Stadtbild wurden damals zu einem Zine fotokopiert und in dieser Form erstmals vor zwei Jahren, 25 Jahre nach ihrem Entstehen, auf der IBUG ausgestellt. Am Tag vor der Vernissage jährt sich der Todestag von Oz das fünfte Mal.

Dokumentarisch ist auch die Animationsarbeit „Straße“ von Moritz Schuchmann, die Tatorte rechtsextremer Gewalt untersucht. Das fotografische Material von Straßentexturen und Oberflächen, das an drei exemplarisch ausgewählten Tatorten in Rostock, Bottrop und Magdeburg gesammelt wurde, wird in eine immersive visuelle Erfahrungswelt transformiert. Abstraktion und Formalismus bilden den Kern der Arbeit.

Thema der Arbeit von Karin Hilbers sind Begrenzungen und Möglichkeiten der Druckgrafik, wie die Größe, das Vervielfältigen, die Kraft der Wiederholung. 28 Holzschnitte auf Leinwand (je 50x50cm) bilden zusammen die Arbeit mit dem Titel „es geht immer weiter“. Der Blick des Betrachters kann an den weißen Linien und Flächen entlang durch das Bild wandern, von einem Holzschnitt zum anderen.

Auch bei Daniel Wrede wandert der Blick:Ein Stück Schnur wird an den Enden durch einen Knoten verbunden. Über Wandhalterungen laufend und von einem Motor angetrieben, beschreibt der Knoten in seiner steten, langsamen Bewegung unentwegt eine viereckige Form. Somit umrahmt die Bewegung von Schnur und Knoten eine leere Fläche an der Wand.“ Als Konzept eingereicht, wissend wie präzise und feinsinnig er arbeitet, freuen wir uns besonders auf diesen Beitrag des Künstlers, der als ein für ihn zentrales Material Zeit nennt.

Auch bei der Hamburger Malerin Katrin Stender ist die Leere thematisiert. Kalkuliert digressiv und leidenschaftlich unterwegs, lebt in ihren Arbeiten das Fest der Farbe und gleichzeitig ihr Verschwinden. Im Zeigen verbergend, verbergend zeigend, sind die „wolfenbüttler rückseiten“ das Ergebnis einer Reihe von Fehlleistungen, die - not-wendig - nun als Papierobjekt Leerstellen rahmen.

Weiter geht es hinein in die knallige Buntheit. Normalerweise zeigt Kirk Sora seine Fotos immer unter Glas und mit Holz- oder Alurahmen: „Das macht die Bilder natürlich haltbarer und unempfindlicher, es geht aber auch viel von der Natürlichkeit, der direkten Wirkung und den feinen Details des Baumwollpapiers verloren. Und man bekommt als Betrachter eine emotionale Distanz zum Material und der Kunst. Die Arbeiten "nackt" und schutzlos gegen Staub, Licht und Fettfinger zu präsentieren wird ihrer Wirkung und Strahlkraft bestimmt gut tun. Und im besten Fall einen neuen und tieferen Zugang ermöglichen.“ Rahmen- und Hüllenlos. Mit Nägeln direkt an der Wand. Zum ersten Mal, bei uns. Auch darüber freuen wir uns.

Janina Santamarina zeigt (auch bunte, aber das ist zugegebenermaßen eine müde Überleitung, die der Agilität der Arbeiten nicht gerecht wird) interaktive Softplastiken, die sich anziehen lassen. “Mama” maskiert mittels Stoffresten und Nylon, während die “Fuge”, ein Geflecht aus tausend roten Plastiktüten, die Menschen ummantelt: „Ob sie den Raum verkleiden oder den Betrachter ist jedem selbst überlassen - die Attitüde gibt die Form.“

Swen Kählert, Architekt, Maler, Bühnenbilder, schreibt: „Meine Arbeiten beginnen immer als Malerei, nähern sich dann oft stark den Eigenschaften an, die man von Objekten kennt. Trotzdem verstehe ich sie als Malerei. Für mich ist der Prozess ein malerischer […]. Tag für Tag die vermeintlich selbe Linien ziehend, merke ich, dass diese in Wirklichkeit eine Variation der vorhergehenden ist. Zu Beginn noch unsicher, wohin der Weg mich führen wird, fühlt sich die 15., 30., 50. Wiederholung schon sehr vertraut an. Die Linie führt sich quasi von selbst, wird zur Fläche und wieder zu Linie und baut sich eine Form, in der sie sich zuhause fühlt. Sie hat keine Angst Fehler zu begehen oder nicht zu genügen. Sie ist wie sie ist, und steht da als gutes Beispiel für alles, das noch kommen mag. […] Ich stelle mir vor, dass die Natur es ähnlich macht. [...] Es gibt zwar eine Idee, aber die fertige Form steht zu Beginn nicht fest […].“

Mit der ‚Linie im Raum‘ sind wir auch schon bei der vorletzten Position (einer sonst für ihre filigranen, feinen Zeichnungen bekannten Künstlerin), „Blindzeichnungen aus Draht. Die Motive sind aus der unmittelbaren Umgebung oder aus sich selbst herausgegriffen. Gebogen und gefaltet, lässt Zeichenkind sie im Raum schweben.“

Janine Gerber fragt nach der „Bedeutung des Raumes, der sich im Bild manifestiert. Diesen wünsche ich zu öffnen, aufzulösen und dadurch neu zu definieren. Als Analogien schaffe ich Flächen, die sich berühren, überlagern und in denen ein Übergang zum Körperlichen sichtbar wird. Sie sind gerissen, fest und starr, weich oder auflösend. Im künstlichen Raum des Bildes untersuche ich die Wirkung des Bildraumes in Bezug zum realen Raum. Mein Anliegen ist ein sinnliches, fühlbares Erfahren von Bildraum. - [...] eine Bildsprache, die zwischen zwei- und drei Dimensionen vermittelt und den Raum als Bildträger einbezieht.“