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verRATENeröffnung ::: 11.08.2022 19:00 uhr
ausstellungsaduer :: 11.08. - 11.09.2022 öffnungszeiten :: montag, dienstag, samstag und sonntag von 18:00 - 21:00 uhr
_ bruder oder judaskuss _ anhalten etwas herumzuerzählen _ nahelegen zu denunzieren _ das weitererzählen befürworten _ ermuntern zu [ver]petzen _ empfehlen etwas bekannt zu geben _ Illoyalität aufdecken _ oder einfach mal fresse halten _ und fertig machen.
teilnehmende künstler:innen anja mamero, bettina schünemann, bojana fuzinato, detlef lemme, dileepa jeewantha, dirk binder, helge h. paulsen, jenni schurr, luca-maria hien, mara scholz, mel johns, simone thünemann, viola lour
Alle fühlen sich verraten und alles läuft schief, aber keiner setzt sich mal auf den Hosenboden und packt die Sachen an. So kommt es einem bisweilen vor. Oder genauer - das sich alle so verhalten. Alle fühlen sich wichtig, keiner sieht den Anderen. Fragezeichen genug, den Begriff mal aufzuwerfen und zu schauen, wie das in der Kunst aussieht. Sri Lanka steht zunehmend unter Druck. Von außen durch die Folgen des fortschreitenden Klimawandels und den Krisen in anderen Teilen der Welt, von innen durch politische und wirtschaftliche Schwierigkeiten. Betroffen ist jeder. Mit der Aktion "Faces 2022 - Post aus Sri Lanka", einem bis zum 10.08.2022 ungeöffneten Umschlag mit Zeichnungen von Dileepa Jeewantha appelliert Karla de la Barra an Freundschaft und Gemeinsinn. Erbeten hatte sie eine Edition (signiert und nummeriert) im Mai 2022. Der Umschlag kam Mitte Juni an und blieb ungeöffnet, bis sie sich entschied ihn ungeöffnet zu lassen und daraus eine Aktion zu machen. Einen Tag vor der Vernissage wird dieser geöffnet. Inhalt des Umschlags sind ca. 40 in einem Zug enstandene Kohlezeichnungen aus der Serie "My Face" aus diesem Jahr. Dem akuten Verrat an Freiheit, Menschenrechten, der Entwicklung und Entfaltung einer ganzen Nation, setzen Dileepa und Karla die Kraft der Hoffnung und des Zusammenhalts entgegen. „Was machst du gerade?” So fordert Facebook seine drei Milliarden Nutzer täglich auf, ihre Geheimnisse zu verraten. Detlef Lemme verweigert seine Antwort und reflektiert den Satz in einer Kohlezeichnung auf Papier. Eine Formation von Frauenfiguren, eine Evokation von Verrat und Herzschmerz. Ein großes, flackerndes Herz, sowohl mädchenhaft kindlich als auch stigmatisierendes Symbol. Die Figuren wirken verführerisch und verlockend, während sie gleichzeitig zerstückelt und verzehrt scheinen. Eine auf die religiöse Ikonographie anspielende Anordnung trägt zur Ambiguität bei. Verrat, ob gesellschaftlich oder persönlich, bewegt sich in der raumfüllenden Arbeit "PEEP" von Viola Lour durch die Gegenwart und die Vergangenheit, in der Realität und im Imaginären. Den Beitrag von Mara Scholz versehen wir mit einer Triggerwarnung. Die Videoarbeit „Trace an Object“ thematisiert sexuelle Gewalt gegen Kinder sowie Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung von sexuellen Missbrauchsabbildungen, sogenannter Kinderpornografie. Das Geschäft mit Bildern und Videos findet im Verborgenen statt. Oft existiert ein von Täter:innen initiiertes Schweigegebot, - nichts darf von den Taten verraten werden. Die Installation "MINDESTENS DREISSIG SILBERLINGE" von Bettina Schünemann besteht aus einer den Raumverhältnissen angepassten Montage gedruckter Module. Die Druckstöcke dafür sind durch Linolätzung entstanden. Es ist die Front- und die Rückseite eines tyrischen Schekels zu sehen, des judäischen Zahlungsmittels im ersten Jh. bis ins Jahr 66, sehr wahrscheinlich auch der biblisch überlieferten „dreißig Silberlinge“, dem Judaslohn. Jedes Modul zeigt nicht eine komplette Münze, sondern einen verschobenen Ausschnitt, der die potenzielle Vermehrung des Geldstücks andeutet. Die Arbeit ist also nach allen Seiten unendlich weiterzudenken. Innerhalb des Prinzips des Aufdeckens und Verdeckens arbeitet Simone Thünemann mit der Wahrnehmung des Rezipienten und "fordere seine geistige Aktivität, die sich aus einem kreativen Schaffensvorgang und der Ergänzung der Formen aus der Erfahrung konzipiert und daher einer Art Ratespiel gleicht." In der Fotoarbeit „Zorn des Lammes“ von Helge H. Paulsen wird der Zorn über den Verrat dargestellt in Bezugnahme auf die christlichen Mythen. Der Zorn ist aber hier gleichzeitig eine Vergebung. "Wir können die Emotionen der Fotografen nicht anhand des reinen Bildes nachempfinden. Wir können nur eigene Emotionen mit diesem Bild verbinden, die wiederum einen völlig anderen Kontext zulassen. Jedes Bild ist somit ein freies Blatt, das wir, die Betrachter, mit Annahmen füllen, die uns vielleicht ein Bildtitel suggeriert." Jenni Schurr spielt mit „I processed myself“ auf die Prozesse der Umformung und Anpassung an, die dem Menschen als gesellschaftlichem Wesen aufgezwungen werden und allzu oft nach einem Verrat an sich selbst und den ökologischen und sozialen Grundlagen der eigenen Existenz verlangen. In der raumfüllenden Miniaturversion einer fiktiven Stadtkulisse wird das öffentliche Leben von Luca-Maria Hien modellhaft umstrukturiert. Polizisten werden von People of Colour im Streifenwagen abgeführt. Video- sowie Fotodokumentationen von im urbanen Kontext situierten Performances werden zu Werbungen, Beschilderungen oder wiederum Teil der Stadtkulisse. Ineinander gestapelte Räume und relativierte Größenverhältnisse geben Platz für das Unübersichtliche, Ungeordnete und neu Interpretierte. Wie oft haben wir im Leben schon die Wahrheit auf der Zunge gehabt und uns dann selber verraten und sie einfach wieder geschluckt? Oder ist die Wahrheit schwer zu schlucken, da wir die Konsequenzen fürchten? "Truth”, Acryl auf Leinwand von Dirk Binder. Drei Materialebenen aus Holz, Leinwand und rotem Gummiband spielen mit dem Wert der Ungenauigkeit, in dem nichts starr, alles in Bewegung und in einem dynamischen Prozess ist. Anja Mamero vereinigt mit einer aus dem Rhythmus der Linien ausbrechenden Naht eines Gummibandes das Flüchtige eines schattenhaften Momentes mit der Dramatik einer Zerreißprobe. Mel Johns beobachtet. "Meine Nichte hatte noch zuvor ausgelassen herum getollt und war fröhlich. Als wir den Fahrstuhl bestiegen und sie vorm Spiegel stand, veränderte sich ihre Gefühlslage. Sie verharrte, betrachtete sich und ihr Gesicht, wurde ernst und nachdenklich, ihr Blick kritisch. Für einen Augenblick hat sie um sich herum nichts wahrgenommen, bis ich sie aus ihrer Trance knipste." Das Spiegelbild. Was verrät es uns? Und warum irritiert es uns? Bojana Fuzinato analysiert für ihre großflächige, an die Freiheit von Berglandschaften erinnernde Installation "Virginia" die patriarchale Situation in den abgelegenen ländlichen Gebieten des Balkans in Nordalbanien, Kosovo und Montenegro, an die das Phänomen der Virginia-Frau anknüpft - Frauen, die dem Frau-Sein abschwören und fortan als Mann leben. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit wird gegen Menschliche Freiheit eingetauscht: Virdžinas dürfen nicht lieben, keine Kinder bekommen, keine Frau sein. Ihr sozialer Aufstieg ist oftmals mit Einsamkeit verbundenen. Fuzinato transportiert die Thematik in dieser Arbeit neben der Form, die Öffentlichkeit repräsentierend, mit dem Material der kunsthandwerklichen Disziplin des Nähens, die traditionell mit der privaten Sphäre der Frau verbunden ist: Der Nadel. Geschlecht und Geschlechterposition werden miteinander verschränkt wie verwischt, die soziale Konstruktion postuliert.
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